Die wichtigsten Fakten zum Thema Narben
DR. VEITH MOSER IM EXPERTENINTERVIEW
Was verstehen Mediziner unter dem Begriff „Narbe“?
Wo geschnitten oder die Haut entsprechend verletzt wird, entsteht im Rahmen des Wundheilungsprozesses meist eine Narbe. Es handelt sich dabei um von aktiven Bindegewebszellen, den Fibroblasten, gebildetes faserreiches Ersatzgewebe.
Wovon ist die Narbenbildung abhängig?
Zum einen durchlaufen wir verschiedene Phasen und Formen der Wundheilung, die durch äußere Faktoren verschlechtert oder begünstigt werden können. Des Weiteren kommt es natürlich auch darauf an, wie die Wunde entstanden ist, welche bzw. wie viele der drei Hautschichten verletzt wurde/n, wie gut sie verheilt, wie groß sie ist und an welcher Stelle am menschlichen Körper die Narbe liegt. Was wir allerdings auch wissen, ist, dass ältere Menschen kleinere Narben produzieren.
Wie erklärt sich das?
Ältere Menschen benötigen einen längeren Heilungsprozess, allerdings gehen aus diesem schneller zartere Narben hervor. Junge Menschen weisen mehr Wachstumsfaktoren auf als ältere, sie schütten vermehrt Zytokine aus und heilen dadurch schneller. Bei älteren Menschen ist diese überschießende Reaktion praktisch nicht vorhanden bzw. verlangsamt. Sie benötigen mehr Zeit zum Heilen, vernarben allerdings schöner.
Gibt es Bereiche, die im Hinblick auf die Narbenbildung zu Problemfällen werden können?
Die Schulter und das Dekolleté. Diese beiden Körperstellen vernarben in der Regel ästhetisch nicht zufriedenstellend, was man den Patienten vor einer Operation mitteilen sollte. Ob Verletzung oder chirurgischer Eingriff – wir beobachten in diesen Bereichen bei nahezu jedem Patienten dieses Phänomen, wobei auch hier ältere Menschen im Vergleich zu jüngeren im Vorteil sind.
Welche Faktoren können die Wundheilung und die Narbenentwicklung beeinflussen?
Durchblutung, Stoffwechselerkrankungen, gesundheitlicher Zustand des Patienten, Hautbeschaffenheit und die Tatsache, ob es sich um einen Raucher oder Nichtraucher handelt.
Das heißt, Rauchen gefährdet die Wundheilung?
Richtig. Raucher heilen schlechter als Nichtraucher. Deshalb empfiehlt sich, vor einer Operation das Rauchen einzustellen und erst nach abgeschlossenem Heilungsprozess wieder anzufangen, falls das unbedingt nötig ist. Eine Operation oder Verletzung kann durchaus zum Anlass genommen werden, dieses so ungesunde Laster endlich loszuwerden – der eigenen und der Gesundheit anderer zuliebe.
Welche Punkte spielen außerdem eine Rolle?
Ob eine Schnittverletzung oder eine Verbrennung vorliegt und ob genäht werden kann oder nicht. Bisswunden und jene, die älter als sechs Stunden sind, dürfen keinesfalls mit einer Primärnaht versorgt werden.
Können Narben zu medizinischen Problemkindern werden?
Durchaus. Sie können Funktions- oder Wundheilungsstörungen entwickeln, hypertroph oder zu einem Keloid werden, also im wahrsten Sinne des Wortes über das Ziel hinausschießen und übermäßiges Narbengewebe produzieren. Die Wundheilung kann sich verzögern, die Narbe kann sich entzünden, sich zusammenziehen oder optisch unschön werden. Narben sind mitunter sehr sensibel, benötigen Pflege und die Mitarbeit des Patienten. Wer sich während des Heilungsprozesses übernimmt, nicht regelmäßig hochlagert und kühlt und die Narbe nach der Nahtentfernung und Abheilung kaum oder gar nicht massiert und pflegt, läuft Gefahr, dass sie zum Problem wird. Narben müssen außerdem vor der Sonne geschützt werden.
Ist eine unschöne Narbenbildung immer vermeidbar?
Leider nicht. Manche Patienten haben das Pech, sich trotz vorbildlicher Narbenpflege und Mitarbeit mit einem Keloid oder einer hypertrophen Narbe konfrontiert zu sehen. Bei den meisten allerdings entwickeln sich Wundheilung und Narbenbildung sehr zufriedenstellend. Ich operiere möglichst narbensparend, wobei die Technik, die Naht und das Nahtmaterial mit hineinspielen. Durch all diese Aspekte kann ich die Narbenbildung positiv beeinflussen.
Lassen sich Narben bei Bedarf korrigieren?
Ja. Narben benötigen bis zu zwei Jahre, bis sie reif und nicht mehr aktiv sind, was man daran erkennt, dass sie weiß geworden sind. Je nach Beschaffenheit lassen sie sich mittels Kortison oder Eigenfettinjektionen behandeln. Manche Narben können operativ korrigiert werden. Des Weiteren stehen uns das Medical Needling sowie der Laser zur Korrektur zur Verfügung. Die Wahl der Behandlungsmethode ist von der Stelle, an der sie sich befindet, dem Ergebnis, das man sich erwartet, sowie der Narbenbeschaffenheit abhängig.
Von Mag. Sonja Streit