Die wichtigsten Fakten zum Thema Morton Neurom
DR. VEITH MOSER IM EXPERTENINTERVIEW
Was versteht man unter einem Morton Neurom?
Beim Morton Neurom, auch Morton Metatarsalgie genannt, handelt es sich um ein Nervenkompressionssyndrom. Streng genommen ist die Bezeichnung „Neurom“ nicht wirklich zutreffend. Ein Neurom oder Nervenfaserbündel entsteht, wenn ein Nerv durchtrennt wird und sich aufgrund dessen an seinem Ende ein Nervenknödel bildet, der Schmerzen verursacht, z.B. nach einer Amputation. In diesem Fall findet der Nerv sein Erfolgsorgan nicht mehr, ist „verwirrt“ und bildet eine Verdickung beim Versuch, Narbengewebe zu durchdringen, um zur nicht mehr existenten Extremität zu gelangen. Diese kann kirschkerngroß werden. Der Morton-Metatarsalgie wiederum liegt ein zwischen den Zehen eingeengter Interdigitalnerv zugrunde, der eingequetscht wird, aber völlig intakt ist.
Wie entsteht ein solches Problem?
Meist durch zu enges Schuhwerk, weshalb Frauen besonders häufig betroffen sind. Unsere Füße, die sich aus jeweils 26 Knochen, etlichen Muskeln, Bändern, Sehnen, Arterien und Nerven zusammensetzen, müssen tagtäglich sehr viel leisten. Zwischen den Köpfchen unserer Mittelfußknochen befinden sich kleinste Äste unserer Schienbeinnervs, des Nervus tibialis. Da bleibt nicht viel Spielraum. Werden die Füße durch zu enge Schuhe zusammengedrückt oder ständig übermäßig belastet, z.B. durch Laufen oder Stehen, haben die Nervenäste zu wenig Platz und reagieren empfindlich.
Aber sollte unser Bewegungsapparat und vor allem unser peripheres Nervensystem extremen Belastungen nicht standhalten können?
Dazu ist unser Körper und vor allem das periphere Nervensystem definitiv in der Lage, allerdings stößt es irgendwann im wahrsten Sinne des Wortes an Grenzen. Eine chronische Einengung führt dazu, dass es zu einer knotenartigen Verdickung kommt, eben dem genannten Nervenknödel im Nervenaufzweigungsbereich. In manchen Fällen kommt außerdem ein entzündlich veränderter, vergrößerter Schleimbeutel hinzu, wodurch der Nerv noch mehr gereizt wird.
Wie äußert sich die Erkrankung?
Durch brennende, stechende Schmerzen, die sich dann verschlimmern, wenn man enge Schuhe trägt oder den Vorfuß zusammendrückt. Sensibilitätsstörungen und Druckschmerzhaftigkeit spielen ebenfalls eine Rolle. Bei manchen Patienten zeigt sich ein positives Mulder-Zeichen, eine Art Klicken, das beim Zusammendrücken der Zehen entsteht. Im Ultraschall sieht man eine Art „Tulpe“, die zwischen den Zehen aufpoppt, wenn man sie zusammendrückt.
Das heißt, der hochauflösende Ultraschall ist als bildgebende Maßnahme empfehlenswert?
Ja, auch deshalb, da MRT und CT im Liegen durchgeführt werden, wenn kein Druck auf den Füßen lastet. Außerdem ist der hochauflösende Ultraschall in Bezug auf die Diagnose peripherer Nervenkompressionssyndrome und anderer Nervenproblematiken das Mittel der Wahl. Dieser Bildgebung entgeht nichts, sie ist kostengünstig und kann praktisch überall durchgeführt werden.
Welche Behandlungsmöglichkeiten der Morton-Metatarsalgie gibt es?
Zunächst einmal sollte das Tragen von zu engen Schuhen vermieden werden. Ich empfehle zunächst eine konservative Behandlung, z.B. mittels Kompressionsstrumpf, physikalischer Therapie, Schuheinlagen, Polsterung des Zehenzwischenraums oder einer ultraschallgezielten Kortison-Injektion. Es gibt Patienten, die eine Morton-Metatarsalgie, aber keinerlei Beschwerden haben. Diejenigen, die von konservativen Maßnahmen nicht profitieren konnten, sollten operiert werden.
Wie gestaltet sich die Operation?
Bevor ich operiere, lasse ich ultraschallgezielt eine Testblockade durchführen. Das heißt, die Betroffenen bekommen eine Betäubungsspritze ins schmerzauslösende Areal und führen Buch über sämtliche Veränderungen in Bezug auf den Schmerz und die Dauer der Schmerzfreiheit. Ist jemand mindestens zwei Stunden schmerzfrei oder nahezu schmerzfrei, imitiert das den OP-Erfolg.
Ich gehe streckseitig über den Fußrücken in den Fußhinein, entferne einengende Strukturen und belasse den Nerv, wie er ist. In absoluten Ausnahmefällen, z.B., wenn es sich um einen sehr dicken Nervenknödel handelt, oder der Patient zum wiederholten Male von einem solchen betroffen ist, schneide ich den Nerv radikal weg.
Was ist nach dem Eingriff zu beachten?
Ich verordne für zwei Wochen einen Vorfußentlastungsschuh, durch den der Patient in der Lage ist, sich völlig normal fortzubewegen. Des Weiteren empfehle ich eine Physiotherapie, die gewährleisten soll, dass man keine Schonhaltung annimmt oder sich falsch bewegt. Ohne Mobilisierung geht es nicht. Des Weiteren sind hochlagern und kühlen das Um und Auf. Dass man nach der OP auf weites Schuhwerk zurückgreifen und diesbezüglich nicht in alte Muster verfallen sollte, versteht sich von selbst.
Verfasst von Mag. Sonja Streit