Die wichtigsten Fakten zum Thema Gelenkdenervation
DR. VEITH MOSER IM EXPERTENINTERVIEW
Was versteht man unter chirurgischer Gelenkdenervation?
Es handelt sich dabei um eine Durchtrennung jener Nervenfasern, die Schmerzen ans Gehirn weiterleiten, aber nicht für die sensible Versorgung der Hautoberfläche oder die Motorik zuständig sind. Man darf sich das nicht so vorstellen, dass periphere Nerven durchgeschnitten werden, um sie an der Schmerzweiterleitung zu hindern, vielmehr handelt es sich um kleinste Ästchen, die im Bereich des betroffenen Gelenks Schmerzen verursachen.
Das heißt, es geht dabei ausschließlich um eine Eliminierung des Schmerzes oder die Reduktion desselben, aber nicht um die Behebung eines zugrundeliegenden Problems?
Richtig. Liegt zum Beispiel eine Arthrose, also eine fortschreitende krankhafte Veränderung der Knorpel- und Knochenstruktur vor, wird diese nicht mittels mikrochirurgischer Gelenkdenervation behoben. Der Eingriff dient vielmehr dazu, damit einhergehende Schmerzen zu lindern und z.B. eine Maßnahme wie die Arthrodese bzw. Gelenkversteifung hinauszuzögern. Somit können Stabilität und Beweglichkeit weiterhin gewährleistet werden.
Welche Gelenke können mit Hilfe dieses Eingriffs behandelt werden?
Hand- und Fingergelenke, Sprunggelenke, Zehengrundgelenke, Ellbogengelenke, Kniegelenke, Schultergelenke sowie die Handwurzel und das Daumensattelgelenk.
Nicht selten berichten Patienten von anhaltenden Knieschmerzen, die durch Einbau einer Endoprothese eigentlich verschwinden sollten. Was hat es damit auf sich?
Das Kniegelenk ist jenes Gelenk, das am häufigsten von Schmerzen betroffen ist. Unabhängig von der Ursache und auch nach perfekt durchgeführter Operation kommt es nicht selten dazu, dass nach einer Prothesenimplantation therapieresistente Schmerzen entstehen, die vor allem im Falle des Kniegelenks auf die Prothese zurückgeführt werden. In Wahrheit sind es aber meist Nervenfasern, die im Rahmen der Operation irritiert wurden und deshalb permanent Schmerzen weiterleiten. Die Betroffenen werden oftmals mehrfach operiert, um die Prothese auszutauschen, in Wahrheit genügt aber ein vergleichsweise kleiner Eingriff in Lokalanästhesie, in dessen Rahmen das Gelenk nicht eröffnet werden muss.
Wie wird dieses Problem diagnostiziert? Periphere Nerven sind ja oftmals mit bloßem Auge nicht zu erkennen und leuchten bedauerlicherweise ja auch nicht auf, wenn ihnen etwas fehlt.
Bei der Diagnosestellung kommt der hochauflösende Ultraschall ins Spiel. Er erkennt, wo die Nervenfasern, die die Schmerzen verursachen, liegen. Dadurch kann man bei Bedarf vor der Operation den Verlauf auf der Haut genau nachzeichnen, was mir als Chirurg enorm hilft.
Testen Sie nach erfolgter Diagnose mittels Betäubungsmittel, ob der Patient von der Operation profitieren könnte?
Ja. Ist er nach der Injektion in den betroffenen Bereich für einige Zeit schmerzfrei, spricht das für einen OP-Erfolg. Es handelt sich dabei um eine Spritze, die jener vor einer Zahnbehandlung entspricht.
Besteht nach erfolgter Gelenkdenervation die Gefahr, dass sich das Gelenk für andere Eingriffe wie z.B. die Arthrodese nicht mehr eignet?
Nein. Die Denervation kann sogar mit anderen Eingriffen kombiniert werden und hat außerdem den Vorteil, invasivere Verfahren hinauszuzögern, die dadurch erst Jahre später nötig werden, wenn die Arthrose z.B. so weit fortgeschritten ist, dass das Gelenk ausgetauscht werden muss.
Was spricht aus medizinischer Sicht gegen eine Gelenkdenervation?
Rheumatische Entzündungen, eine Infektion des Gelenks, Instabilität und Synovailitis, also eine Entzündung der inneren Gelenkkapselschicht.
Wie gestaltet sich die Zeit nach dem Eingriff?
Eine derartige Operation erfordert keine Ruhigstellung, man sollte einige Zeit Ruhe geben und sich schonen, kann das betroffene Gelenk bzw. die operierte Extremität aber kurz nach dem Eingriff wieder bewegen – allerdings in Maßen. In manchen Fällen empfiehlt sich eine Physiotherapie.
Verfasst von Mag. Sonja Streit