Die wichtigsten Fakten zum Thema Thread Carpal Tunnel Release
DR. VEITH MOSER IM EXPERTENINTERVIEW
Worum handelt es sich beim Thread Carpal Tunnel Release?
Um einen ultraschallüberwachten Eingriff zur Behandlung des Karpaltunnelsyndroms, für den weder ein Endoskop, noch ein Skalpell benötigt wird und bei dem keine Narben entstehen. Er wurde vor einigen Jahren in den USA entwickelt und ermöglicht Fachärzten für Radiologie einen Eingriff, der hierzulande eigentlich nur von Chirurgen durchgeführt wird.
Was ist ein Karpaltunnelsyndrom, auch CTS genannt?
Beim Karpaltunnelsyndrom handelt es sich um einen Engpass, der den Nervus medianus betrifft. Dieser verläuft durch den Karpaltunnel, der sich auf Höhe des Handgelenks befindet und einerseits von Knochen, andererseits von Bindegewebe umgeben ist. Durch den Tunnel verlaufen neben dem Mittelarmnerv sämtliche Beugesehnen der Finger von der Hand bis zum Unterarm. Nimmt das Volumen innerhalb des Tunnels zu, wirkt sich das negativ auf den Nerv aus, er wird von seiner Umgebung und dem über dem Tunnel liegenden bindegewebigen Karpalband oder Karpaldach eingeengt und reagiert entsprechend.
Und wie gestaltet sich die neue Behandlungsmethode?
Während bis vor einigen Jahren neben konservativen Maßnahmen nur die offene oder eine endoskopische Operation zur Verfügung standen, die mit Narbenbildung aufgrund von Schnitten einhergingen, können wir das Problem heute sehr elegant angehen: Mittels Ultraschallgerät, Nadel und „Faden“. Thread steht in der ästhetischen Medizin eigentlich für Fäden, die im Rahmen eines Fadenlifts verwendet werden. In unserem Fall handelt es sich um einen Draht oder Strang, der das Karpalband durchtrennt.
Wie genau?
Zunächst einmal werden sterile Bedingungen geschaffen und die betroffene Hand lokal betäubt. Mein Kollege Dr. Gerd Bodner, Facharzt für Radiologie und Nervenspezialist, sucht den Nervus medianus mit dem Ultraschall auf und führt in die Handinnenfläche eine Spinalkanüle ein, die er unter dem Karpaldach hindurchschiebt, bis sie unterhalb des Handgelenks wieder austritt. Danach fädelt er durch die Nadel den erwähnten Draht, bis er aus beiden Nadelenden herausschaut. Die Nadel wird entfernt, eine weitere wird durch die Einstichstellen oberhalb des Karpaldachs eingeführt, das untere Drahtende in die Nadel eingefädelt, wodurch eine Schlaufe um das Dach herum entsteht. Sobald der Draht die Nadel auf der anderen Seite verlassen hat, kann sie vorsichtig entfernt werden, sodass nur mehr der Draht sich in der Hand befindet. Die Enden werden überkreuzt und ich bewege sie vorsichtig hin und her, um das Karpalband zu zerschneiden. Ist es vollständig durchtrennt, kann ich den Draht entfernen. Alles verläuft unter ständiger Ultraschallkontrolle und in enger Zusammenarbeit miteinander.
Das heißt, der Patient ist wach, wird lediglich lokal betäubt und ist danach wieder einsatzfähig?
So ist es. Wir legen danach einen Druckverband an und versorgen die Einstichstellen mit Pflastern. Bereits nach dem Eingriff kann der Patient seine Finger wieder bewegen, sollte hochlagern und kühlen. Das Gewebe wird maximal geschont, es gibt keinen Schnitt, der genäht werden muss und die Erholungsdauer reduziert sich beträchtlich.
Sie sind derzeit die einzigen Ärzte in Europa, die diesen Eingriff anbieten. Warum?
Wir wenden diese Methode seit über zwei Jahren sehr erfolgreich an und sind mit den Ergebnissen wirklich sehr zufrieden. Nicht jeder eignet sich für den Eingriff, da ein offener Zugang indiziert ist, wenn Gewebe den Nerv zusätzlich einengt oder Begleitpathologien bestehen. Das können wir aber im Vorfeld mittels Ultraschall darstellen und diagnostizieren. Wenn wir davon überzeugt sind, dass ein Patient von dieser Methode profitieren kann, schlagen wir sie vor. Die Ausfallzeit ist wesentlich geringer und die Patienten haben keine wirkliche Wundheilungsphase oder müssen eine langwierige Physiotherapie absolvieren. Sie sollten sich lediglich einige Zeit schonen, bestimmte Arbeiten vermeiden und nicht schwer heben. Das Karpaltunnelsyndrom gilt als das häufigste Nervenkompressionssyndrom, es gibt Leitlinien, die die Diagnostik und Therapiemaßnahmen regeln. Viele Kollegen richten sich nach diesen und vertreten die Ansicht, dass das Syndrom in die Hände von Neurologen und Chirurgen gehört. Das hat sicher seine Berechtigung, allerdings hat der hochauflösende Ultraschall mittlerweile einen hohen Stellenwert in der Diagnose von peripheren Nervenkompressionssyndromen und die genannte Methode wird sicher schon bald große Beachtung finden. Und irgendwann Standard sein. Die amerikanischen Kollegen haben mittlerweile eine Studie veröffentlicht, die den Erfolg der Methode bestätigt. Wir erhalten durchwegs positive Rückmeldungen von unseren Patienten.
Verfasst von Mag. Sonja Streit