Die wichtigsten Fakten zum Thema fokale Dystonie
DR. VEITH MOSER IM EXPERTENINTERVIEW
Was versteht man unter fokaler Dystonie?
Es handelt sich bei dieser Erkrankung, die auch Musikerkrampf, Beschäftigungsneurose oder Beschäftigungskrampf genannt wird, um eine neurologische Störung, die beim Ausführen bestimmter feinmotorischer Bewegungen auftritt. Übt ein Musiker beispielsweise am Klavier ein sehr anspruchsvolles Stück oder führt ein Chirurg immer wieder bestimmte komplexe Bewegungen aus, können plötzlich Muskelkontraktionen auftreten. Diese führen zu Schmerzen und dazu, dass eine Hand oder beide Hände dem Betroffenen nicht mehr gehorcht bzw. gehorchen.
Betrifft das den gesamten Bewegungsapparat?
Nein, das faszinierende an der fokalen Dystonie ist, dass andere Bewegungen oder Tätigkeiten ohne Probleme durchführbar sind und sie sich auf eine bestimmte Körperregion beschränkt. Davon Betroffene sind also nicht mehr in der Lage, ihren Beruf auszuüben, weil ihre Muskeln krampfen oder bestimmte Bewegungsabläufe nicht mehr zulassen.
Wie entsteht diese Erkrankung?
Man vermutet, dass hochkomplexe Bewegungen, die stundenlang ausgeführt werden, eine pathologische Störung des Gehirns auslösen können. Genau sagen lässt sich aber nicht, wie die fokale Dystonie entsteht.
Inwiefern fällt die fokale Dystonie in Ihren Fachbereich?
Ich arbeite viel mit Botulinum Toxin, das ich nicht nur gegen Falten, sondern auch als Medikament anwende. Botox kann Muskeln stilllegen und somit das Auftreten ständiger Muskelkrämpfe bei der Durchführung bestimmter Bewegungsabläufe unterbrechen. Das Gift blockiert jene Neurotransmitter, die für die Bewegungsabläufe verantwortlich zeichnen, was die Muskeln zum Erschlaffen bringt.
Ist die Wirkung dieser Injektionen von Dauer?
Nein, Botox baut sich nach spätestens sechs Monaten vollständig ab, allerdings ist das individuell verschieden. Dann stellt sich der muskuläre Normalzustand wieder ein und die Therapie muss erneut durchgeführt werden. Manche Patienten bilden Antikörper gegen das Medikament, weshalb sie von Botoxinjektionen nicht mehr profitieren können.
Wie stellen Sie sicher, dass Sie den Muskel erwischen, der tatsächlich betroffen ist?
Mit Hilfe des hochauflösenden Ultraschalls. Bei Bestehen einer fokalen Dystonie ist es von enormer Wichtigkeit, den Muskel stillzulegen, der sich verkrampft. Dies ist ultraschallgezielt möglich. Botox wirkt nach zehn bis 14 Tagen und sorgt dafür, dass es nicht zu einer erneuten Verkrampfung kommt.
Ist Botox die einzige Möglichkeit, die Erkrankung zu therapieren?
Ich empfehle meinen Patienten neben der Injektion eine Konsultation beim Neurologen. Dieser kann Betroffene „umschulen“. Im Rahmen eines Retrainings können abgeänderte Bewegungsprogramme erlernt und somit Muskelkrämpfe verhindert werden.
Eignet sich Botox ausschließlich zur Therapie dieser muskelbedingten Erkrankung?
Botox kann überall dort eingesetzt werden, wo muskuläre Probleme bestehen und Injektionen nicht dazu führen, dass Bewegungsabläufe stark beeinträchtigt werden. Es eignet sich zum Beispiel zur Therapie von Lid- und Gesichtskrämpfen, kann schlaganfallbedingte Krämpfe lindern, chronische Nackenverspannungen verbessern und Epileptikern helfen. Dieses Medikament ist vielseitig einsetzbar und in den Händen von Experten eine perfekte Möglichkeit, die Lebensqualität von Patienten nachhaltig zu verbessern.
Verfasst von Mag. Sonja Streit