Die wichtigsten Fakten zum Thema Cinderella-Eingriff
DR. VEITH MOSER IM EXPERTENINTERVIEW
Was versteht man unter dem „Cinderella-Eingriff“ oder der „Cinderella Procedure“?
Es handelt sich um einen Trend aus den USA, der vor einigen Jahren aufkam und auch hierzulande von manchen Medizinern praktiziert wird. Wer sich diesem Eingriff unterzieht, lässt sich die Füße so „zurechtschneiden“, dass sie problemlos in High Heels passen und in offenen Schuhen makellos aussehen.
Wie gestaltet sich eine solche Operation?
Je nach Beschaffenheit der Füße werden entweder die Zehen mittels Entfernung eines Knochenstücks aus dem Zehengrundglied verkürzt oder mithilfe eines Knochentransplantats, das z.B. aus dem Becken entnommen wird, verlängert. Schmalere Zehen können durch Knochenteilentfernung oder Gewebeentnahme hergestellt werden.
Das heißt, gesunde Füße werden aus ästhetischen Gründen operiert?
So ist es. Es besteht keinerlei medizinische Indikation, wie das z.B. bei der chirurgischen Behandlung des Hallux valgus oder einer Arthrodese aufgrund von Arthrose der Fall ist.
Welche Folgen kann ein Cinderella-Eingriff haben?
Von Wundheilungsstörungen über Knochenentzündungen bis hin zu tauben Zehen. Es dauert Wochen bis Monate, bis man wieder normal gehen und die Füße wieder voll belasten kann.
Würden Sie einen solchen Eingriff durchführen?
Keinesfalls. Natürlich sieht mein Fachbereich auch Operationen an körperlich völlig gesunden Menschen aus ästhetischen Gründen vor. Aber es gibt Grenzen, weshalb ich etwa 30 Prozent aller Anfragen ablehne. Ich bin in erster Linie Arzt und somit dem Wohl meiner Patienten und ihrer Unversehrtheit verpflichtet. Es ist nicht meine Aufgabe, jeden Wunsch zu erfüllen. Wer der Ansicht ist, ich sei ein Dienstleister, der jeder Erwartung entsprechen muss, sollte sich an einen anderen Arzt wenden.
Es gibt durchaus gerade im ästhetischen Bereich Mediziner, die fragwürdige Behandlungen durchführen. Was ist davon zu halten?
Ein Land wie Österreich ist glücklicherweise nicht mit anderen Regionen vergleichbar, in denen beispielsweise Po-Implantate, „gemachte“ Füße, Riesenbrüste oder extrem operierte Gesichter zum guten Ton gehören. Man denke nur an einen Herrn in England, der sich aufgrund einer Wette Brustimplantate setzen ließ. Dennoch sind wir auch hier immer wieder mit Anliegen konfrontiert, die jeder ärztlichen Ethik widersprechen. Ich persönlich habe mir klare Grenzen gesetzt, die ich einhalte. Als Mediziner ist das, denke ich, meine Pflicht, wenngleich in unserem Fachbereich nichts unmöglich scheint.
In den Medien liest man meist von extremen Eingriffen und „Beauty Docs“, die diese anbieten. Sollte diesbezüglich ein Umdenken stattfinden?
Als Facharzt für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie habe ich eine sechsjährige Zusatzausbildung durchlaufen. Ästhetik ist nur ein kleiner Teil des Ganzen, deshalb möchte ich keinesfalls als „Beauty Doc“ bezeichnet werden. Es werden ständig sämtliche Ärzte, die ästhetisch tätig sind, in einen Topf geworfen, weshalb viele Patienten den Unterschied gar nicht kennen. Jeder Mediziner mit abgeschlossenem Grundstudium darf sich Schönheitschirurg nennen, ohne Facharzt zu sein. Das wird häufig verwechselt. Darauf sollte man auch im Rahmen jeder Berichterstattung eingehen.
Welche Patienten dürfen Ihrer Meinung nach keinesfalls ästhetisch behandelt werden?
Menschen mit extrem unrealistischen Vorstellungen in Bezug auf das Ergebnis sowie jene, die unter einer Dysmorphophobie, also einem gestörten Selbstbild leiden. Diese müssen sich Hilfe bei einem Psychologen suchen, da sie niemals zufriedenzustellen wären und außerdem betreut werden sollten. Wir sind auch psychologisch ausgebildet und merken relativ schnell, ob ein Patient aus freien Stücken eine Behandlung durchführen lassen möchte und nach derselben glücklicher wäre oder nur versucht, tiefsitzende Probleme zu lösen, die ein ästhetischer Eingriff niemals lösen könnte.
Was halten Sie vom neuesten Trend, sich die Nase chirurgisch optimieren zu lassen, um auf Selfies makelloser auszusehen?
Dieser zeigt, wie beeinflussbar gerade junge Menschen sind und in welch fragwürdige Richtung es in unserer Zeit geht. Ein Selfie entspricht niemals der Realität, weshalb viele denken, ihre Nase wäre zu groß oder hässlich. Ähnlich verhält es sich mit Männern, die ihren Penis für zu klein und zu unzureichend halten. Sie schauen von oben darauf herab, entwickeln Komplexe und denken über eine Penisvergrößerung nach. Was die Nasenproblematik angeht, ist das unserem Zeitgeist geschuldet. Für viele junge Menschen ist es von enormer Wichtigkeit, in sozialen Medien gut rüberzukommen. Das sollte man als verantwortungsvoller Arzt keinesfalls unterstützen.
Verfasst von Mag. Sonja Streit