Die wichtigsten Fakten zum Thema Karpaltunnelsyndrom
DR. VEITH MOSER IM EXPERTENINTERVIEW
Was versteht man unter einem Karpaltunnelsyndrom?
Das Karpaltunnelsyndrom, kurz CTS oder KTS, gehört zu den Nervenkompressionssyndromen und tritt an der Hand bzw. im Handgelenkbereich beugeseitig auf. Es ist das bekannteste und das häufigste Nerveneinengungssyndrom, betrifft Frauen häufiger als Männer und ist mit Schmerzen und Gefühlsstörungen in den Fingern und der gesamten Hand vergesellschaftet. Manche Patienten beklagen außerdem Schmerzen, die bis in die Schulter ziehen und ihnen die Nachtruhe rauben.
Was genau ist eingeengt bzw. wie gestaltet sich diese Problematik?
Menschen haben an der Hand einen Karpaltunnel (am Fuß im Gegensatz dazu einen Tarsaltunnel), der sich auf der Handflächenseite im Unterarm befindet. Er wird einerseits von den Handwurzelknochen und andererseits von Bindegewebe gebildet und beherbergt neben neun Sehnen auch den Nervus medianus, den Mittelarmnerv. Wird der Tunnel zu eng, geht das mit einer Druckschädigung dieses Nervs einher, was zu Schmerzen, Taubheitsgefühl, Sensibilitätsstörungen oder sogar Muskelabbau führen kann.
Was zeichnet für diese Einengung verantwortlich?
Bei Diabetikern zum Beispiel füllen sich Nerven mit Wasser und schwellen an. Schwangere wiederum sind von Wassereinlagerungen betroffen, die zu dieser Einengung führen können. Andere bekommen Probleme nach einem Unfall und nicht wenige Patienten sind spontan damit konfrontiert. Nicht immer lässt sich erklären, warum ein Nerv plötzlich eingeengt und beleidigt ist. Anatomisch gesehen handelt es sich um eine von mehreren Engstellen, bei denen die kleinste Veränderung zum Riesenproblem werden kann.
Welche Symptome sprechen für die Entstehung eines CTS?
Wenngleich das individuell verschieden ist, deuten Phänomene wie eingeschlafene Finger, Kribbeln, Schmerzen, Ameisenlaufen oder das Bedürfnis, die Hand auszuschütteln, auf ein Karpaltunnelsyndrom hin. Mitunter manifestiert sich eine Störung in der Feinmotorik, die Kraft im Daumen, dem Zeige- und Mittelfinger lässt nach, sie schmerzen oder wachen nicht mehr auf. Das Hoffmann-Tinel-Zeichen gilt als typisches klinisches Zeichen: Wird das Nervenversorgungsgebiet beklopft und es kommt in der Folge zu elektrischen Missempfindungen, ist das ein klares Indiz.
Wie gestaltet sich die Diagnosestellung, wenn Patienten Sie aufsuchen?
Ich führe eine genaue Untersuchung mit klinischen Tests durch und schicke sie außerdem zum Neurologen, der eine Nervenleitgeschwindigkeitsmessung durchführen soll, und zur hochauflösenden Sonografie bzw. zum hochauflösenden Ultraschall. Mit Hilfe dieser Diagnosetechnik lässt sich zweifelsfrei feststellen, ob der Nerv eingeengt und inwieweit er verdickt ist. Ohne diese Befunde würde ich nicht operieren. Es wäre fahrlässig, nicht auch in Betracht zu ziehen, dass die Beschwerden von der Halswirbelsäule verursacht werden. Deshalb ist es unabdingbar, mehrere Befunde einzuholen, bevor man operiert.
Das heißt, Sie lösen dieses Problem chirurgisch?
Ja, mittels offener Operation. Man kann das Band zum einen endoskopisch durchtrennen, wobei man die Hand nicht öffnen muss und der Patient keine Narbe in der Handinnenfläche davonträgt oder offen, indem ich die Hand aufschneide, den Nerv freilege und bei Bedarf Verwachsungen oder einengendes Bindegewebe entferne. Ich persönlich operiere das Karpaltunnelsyndrom ausschließlich offen, um freie Sicht auf den Nerv und somit die Gewissheit zu haben, dass das Band vollständig durchtrennt und der N. medianus komplett freigelegt wurde. Das ermöglicht mir, auch allfällige Begleitpathologien wie etwa eine Entzündung der Beugesehnen behandeln zu können.
Muss das CTS ausschließlich operativ behandelt werden?
Es gibt Patienten, die mittels konservativer Methoden therapiert werden konnten. Bei Schwangeren erledigt sich das CTS mitunter von selbst, sobald das Kind auf der Welt ist. Andere wiederum profitieren von Dehnübungen und anderen physiotherapeutischen Maßnahmen. Manchmal helfen Therapien aus dem Fachbereich physikalische Medizin.
Verfasst von Mag. Sonja Streit