Die wichtigsten Fakten zum Thema Migräne
DR. VEITH MOSER IM EXPERTENINTERVIEW
Was versteht man unter Migräne?
Migräne gehört zu den häufigsten Kopfschmerzformen, von der ungefähr zehn Prozent aller Österreicher betroffen sind. Sie wird in die Kategorie primär eingeteilt, was bedeutet, dass der Schmerz selbst als Erkrankung bezeichnet werden kann und unklarer Ursache ist.
Wie äußert sich diese Kopfschmerzform?
Sie tritt in unregelmäßigen Abständen auf, ist pulsierend, anfallartig und meist einseitig. Oftmals beginnt ein Anfall morgens und kann sich über mehrere Tage hinziehen. Begleiterscheinungen wie Geruchs-, Geräusch und Lichtempfindlichkeit, mangelnder Appetit, Übelkeit und Erbrechen sind keine Seltenheit. Manche Betroffene sind mit einem Symptomenkomplex, der so genannten Aura, konfrontiert, der sich während des Migräneanfalls, manchmal auch vorher, manifestiert.
Inwieweit hat Ihre Fachrichtung mit Migränepatienten zu tun?
Der Fachbereich Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie sowie Nervenchirurgie setzt sich seit Jahren mit dieser Kopfschmerzform auseinander – und zwar sowohl konservativ, als auch chirurgisch. Ich betreue viele Migränepatienten und die Zufriedenheitsrate ist sehr hoch.
Wie behandeln Sie Migräne konservativ?
Mittels Botox, genauer gesagt Botulinumtoxin A. Dieses Nervengift wird unter anderem zur Faltenglättung eingesetzt, aber auch medizinisch angewendet. Es hemmt die Erregungsübertragung der Nerven auf die Muskeln – im Falle von Migräne jener Muskeln, die bestimmte Nerven so extrem zusammendrücken, dass die Patienten Schmerzen haben. Nicht jeder Patient kann von Botox profitieren, aber ich empfehle immer, es auszuprobieren. Manche Migräniker sind bis zu sechs Monate schmerzfrei, bei anderen wiederum reduziert sich die Anfallsanzahl oder die Schmerzen werden deutlich gelindert.
Welche chirurgischen Maßnahmen stehen zu Verfügung?
Vor einigen Jahren wurde die Durchtrennung des Musculus corrugator supercilii als Migräne-Operation etabliert. Dieser Muskel ermöglicht es jedem Menschen, die Stirn zu runzeln oder böse zu schauen. Nachdem sich einige Patienten diesen durchtrennen ließen, um Falten zu reduzieren, kam man durch Zufall drauf, dass die OP außerdem Migräne lindern oder eliminieren kann. Inzwischen ist klar, dass dieser Eingriff keine wirklich gute Lösung darstellt. Als Rettungsoperation für Patienten, für die alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind und die massiv leiden, hat sich eine Nervenbefreiung als Option herausgestellt. Ich bin Nervenchirurg, deshalb gehe ich davon aus, dass manche Nerven durch Blutgefäße und Muskeln im Schläfen- oder Nackenbereich sowie an der Stirn eingeengt werden. Deshalb entferne ich im Rahmen einer Operation Muskelanteile, um sie zu befreien.
Wie diagnostizieren Sie die genannten Einengungen?
Zum einen ist das Ansprechen auf Botox in bestimmten Bereichen ein Indiz dafür, dass der Eingriff indiziert ist. Zum anderen schauen wir uns kleinste Nervenäste mittels hochauflösendem Ultraschall an und betäuben sie bei Bedarf mit einer Lokalanästhesie, die einer Spritze beim Zahnarzt gleicht. Sind die Patienten mindestens zwei Stunden schmerzfrei, spricht das für einen OP-Erfolg.
Was raten Sie Patienten, die unter Migräne leiden?
Da die Erkrankung nicht nur die Lebensqualität massiv einschränkt, sondern sich auch auf das Berufsleben negativ auswirken kann, ist Botox eventuell eine Option. Es kann Migräne nicht verschlimmern, sondern im schlechtesten Fall nicht oder kaum wirken. Allerdings hält es für Patienten, die gut oder sehr gut darauf ansprechen, einen Riesenbenefit bereit. Nicht zuletzt deshalb, da es bis zu sechs Monate anhalten kann und in vielen Fällen die Einnahme von Medikamenten überflüssig macht. Es hat keinerlei Nebenwirkungen und sollte nur in der Schwangerschaft und Stillzeit nicht zur Anwendung kommen.
Verfasst von Mag. Sonja Streit